Gerne veröffentlichen wir hier auch Zuschriften von Leserinnen und Lesern zu unseren Büchern.
Rezension «Ella und Raymond» – alles ausser gewöhnlich
Ist «Ella und Raymond» eine ganz gewöhnliche Geschichte eines Paares? Weit gefehlt! Eher trifft «Alles ausser gewöhnlich» den Kern. In seinem literarischen Debüt erzählt Rolf Jean Claude Jost vom Leben in seiner ganzen Tiefe – mit all seinen Verstrickungen, Suchbewegungen, Brüchen und zarten Versöhnungen. Kinderwunsch, Affären, Adoption, Wurzelsuche, Leihmutterschaft, Samenspende, Patchwork-Beziehungen, Ablösung von den Eltern, Trauer und Tod – all das ist da, wird jedoch nicht reisserisch erzählt, sondern feinfühlig und vielstimmig in ein Gewebe menschlicher Erfahrungen eingeflochten.
Im Zentrum steht das Paar Ella und Raymond – beide Architekten, beide auf ihre Weise auf der Suche: nach sich selbst, nach dem anderen, nach einem Zuhause in der Welt. Ihre Beziehung ist nicht geradlinig, sondern voller Spannungsbögen. Ella beginnt, sich in ihrer künstlerischen und persönlichen Identität neu zu orientieren, Raymond sucht Halt in der Vergangenheit und der Natur. Als Adoptivkind ringt Ella zudem mit der Frage nach ihrer Herkunft – ein Thema, das mit überraschenden Spiegelungen und Begegnungen im Roman mehrfach zurückkehrt.
Die Sprache ist klar, präzise und durchdrungen von poetischen Beobachtungen. Landschaften – etwa die Engadiner Bergwelt oder das Atelierquartier in Den Haag – treten als atmosphärische Spiegel der inneren Zustände auf. Natur und Innerlichkeit werden gleichwertig behandelt, wie zwei Erzählstränge, die sich durchdringen.
Der Roman macht sichtbar, wie vielfältig und komplex Familien heute entstehen: durch biologische Bande ebenso wie durch Wahlverwandtschaften oder Zufälle des Lebens. Leihmutterschaft, gleichgeschlechtliche Beziehungen, Adoptionen oder Samenspenden werden gesellschaftlich zwar oft kritisch beäugt. Jost begegnet diesen Themen jedoch nicht aus gesellschaftlicher, sondern mit Offenheit und Empathie aus Sicht der Betroffenen und Beteiligten. Er zeigt, wie Beziehungen nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Unvollkommenheit und Prüfungen wachsen können. Das ist eine stille, versöhnliche Botschaft in einer Zeit, in der Polarisierung oft dominiert.
Oberrohrdorf, 24.7.2025 Roland Haas
Rezension «Die Spur führt in die Landesregierung» von Silvia Muster
Die Seeländer Autorin Silvia Muster begeistert die Leserschaft mit ihrem dritten Werk «Die Spur führt in die Landesregierung» aus der ‘von Allmen Serie’.
Die Erwartungen sind hoch, nachdem die beiden ersten Geschichten die Leserschaft unter Hochspannung hielt. Kann sie dem gerecht werden?
Auf dem Eiger Gletscher im Berner Oberland werden im auftauenden Eis zwei Leichen gefunden: eine junge Frau und ein junger Mann haben ihr Leben verloren. Die Geschichte führt ins späte 19. Jahrhundert und schnell stellt sich heraus, dass hier ein Gewaltverbrechen vorliegt. Von Allmen übernimmt den Fall, welcher vor rund 150 Jahren das Berner Oberland in Angst und Schrecken versetzt und schlussendlich bis nach Bundesbern seine blutige Spur hinterlässt.
Die Autorin versteht es einmal mehr eine Geschichte in zwei völlig unterschiedlichen Zeitepochen entstehen zu lassen, die spannende Eindrücke in das Leben der Bergwelt im 19. Jahrhundert liefert und zugleich die aufwändige Ermittlungsarbeit im Jahre 2024 spiegelt. Das fünfköpfige Ermittlerteam übernimmt eine äusserst schwierige Aufgabe, Licht ins Dunkel zu bringen. Silvia Muster gelingt es, die Spannung bis zum Schluss hochzuhalten, bis sie die klärenden Geschehnisse verrät, welche zur Auflösung des Falles führen.
Ich wünsche mir mehr spannende Unterhaltung von Silvia Muster.
Jacqueline Stalder / Juli 2025
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